Laborleiter Lang

"Technologie dort, wo sie gebraucht wird"

20.10.2022: Interview mit Laborleiter Stefan Lang, Scientist of the Month im Oktober 2022

CDG: Herr Professor Lang, Sie leiten nun bereits seit Sommer 2020 das CD-Labor für Raumbezogene und EO-basierte humanitäre Technologien: Wie haben Sie die vergangenen zwei Jahre erlebt? Was schätzen Sie besonders am Fördermodell der CD-Labors?
Lang: Zunächst einmal gibt es aus der wissenschaftlichen Community, aber auch von Seiten der Universitätsleitung und unserer Landespolitik eine große Wertschätzung für das CD-Labor und dieses in Europa doch einzigartige nationale Förderinstrument. Es wurden an der Uni Räume adaptiert um die Sichtbarkeit zu erhöhen; etliche Studierende aus unseren internationalen Studienprogrammen profitieren davon. Es ist ja eine ganz besondere Konstellation: Unser Partner ist kein klassisches Industrieunternehmen, sondern eine humanitäre Nichtregierungsorganisation. Und noch dazu eine weltbekannte! Natürlich verpflichtet uns das auch was die Ergebnisse betrifft. Primär ist es aber die Motivation, unsere Technologie für das Wohl der Gesellschaft und unserer Lebenswelt einzusetzen, was ja auch mein und unser Treiber war, die enge Partnerschaft mit MSF vor einigen Jahren zu begründen.

CDG: Wie profitierten Sie von der Kooperation mit dem Unternehmenspartner bei der Grundlagenforschung und welche Herausforderungen gab es im Zuge der Zusammenarbeit?
Lang: Das CD-Labor bietet eine sicht- und greifbare, dynamisch-flexible Einheit, die den organisatorischen und finanziellen Rahmen für wissenschaftlich hochwertige Grundlagenforschung schafft, gleichzeitig aber auch anwendungsrelevante Wissenschaft. Diese heute so zentrale, aber im Forschungsalltag oft nur schwer zu realisierende Kombination wird durch das Instrument der „Public-Private Partnership“ katalysiert; es ginge auf diesem Niveau kaum ohne eine solche Unterstützung! Im humanitären Kontext zählen hohe Effizienz und Verlässlichkeit, zwei Aspekte die sich im klassischen Wissenschaftskontext eher ausschließen. Im CD-Labor, das ja auch Valenzen zur Privatwirtschaft aufbaut (z. B. neue Startups in diesem Sektor), kann mit mehreren Schrittgeschwindigkeiten agiert werden, wobei einerseits dem akademischen Anspruch an PhD-Arbeiten gerecht zu werden ist und andererseits auf einen flexiblen Bedarf des Unternehmens-/NGO-Partners reagiert werden kann.

CDG: Was war ihr bisher größter Erfolg im CD-Labor? Und können Sie von überraschenden Ergebnissen erzählen?
Lang: Unser Team widmet sich einem breiten Spektrum an Forschungsfragen, welches wir gerne unter dem Stichwort Hybride KI subsummieren. Wir integrieren raumzeitliche Daten unterschiedlichster Quellen, von Satellitendaten über statistische und administrative Daten bis hin zu solchen die im Feld erhoben werden. Dabei geht es nicht nur um eine möglichst gute Integration einzelner Informationsebenen und die Optimierung maschinenbasierter Ansätze in der Auswertung dieser, sondern auch um eine intelligente Konditionierung. Es ist motivierend, den eigenen Erfahrungsschatz ständig erweitern zu können und neues strukturiertes Wissen wiederum in hybride Verfahren einfließen zu lassen. Der Erfolg ist dann gegeben, wenn wir die Komplexität von Hilfseinsätzen etwas transparenter machen und lebenswichtige Entscheidungen erleichtern können. Covid-19 hat die Gesellschaft insgesamt vor neue Herausforderungen gestellt. Inwiefern sich Pandemien (wie auch z. B. Ebola) mit etablierter humanitärer Hilfsarbeit überlagern und zu welchen neuen Erfordernissen dies führt, zeigt das Beispiel der Abschätzung von Übersterblichkeit in temporären Siedlungsgebieten aufgrund der (sichtbaren) Zunahme von Gräberfeldern im Umkreis dieser.

CDG: Wie wird sich die Planung und Durchführung humanitärer Hilfseinsätze ihrer Prognose nach in den nächsten Jahren ändern?
Lang: Sehr optimistisch gedacht werden es hoffentlich weniger! Auf jeden Fall wollen wir Technologie dort einsetzen wo sie dringend gebraucht wird. Die humanitäre Gemeinschaft versucht immer mehr vom Reagieren zum (Mit-)Gestalten zu kommen, um somit besser vorbereitet zu sein und gewisse Einsätze eventuell sogar überflüssig zu machen. Das fängt bei Aufklärungsarbeit über Krisensituationen und die komplexen Konfliktstrukturen an und reicht bis zum neu propagierten „Triple Nexus“ von Friedens-, Entwicklungs- und humanitärer Arbeit. Ich glaube hier werden wir mit unseren raumbezogenen und EO-basierten Technologien einen ebenso wichtigen Beitrag leisten können, wie wir vor ca. 10 Jahren auch entscheidend dazu beigetragen haben, dass Satelliten-, Drohnen- und andere Geoinformationsprodukte überhaupt in der humanitären Community Einsatz gefunden haben. Wenn wir hier einen signifikanten Impact erzielen können (wovon wir ausgehen) hat sich die Investition von Zeit und Mitteln mehr als gelohnt!

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Leitung

Assoc.Prof. Dr. Stefan Lang

Universität Salzburg

Laufzeit

01.07.2020 - 30.06.2027

Unternehmenspartner

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