Grundlagenforschung vom Hochofen zur Aerosolverbreitung

Der CDG-Preis 2021 geht an Stefan Pirker für die Erforschung partikulärer Strömungen

 

Ob Erz-Brocken im Hochofen, Polymer-Partikel in chemischen Anlagen oder Aerosole, die sich in der Luft verbreiten: Das Partikelverhalten ist von immanenter Bedeutung und gleichzeitig schwer vorhersagbar. Eine Unzahl von Partikeln interagiert untereinander ebenso wie mit umgebenden Gasen oder Flüssigkeiten – um das beschreiben zu können, muss man erstens die Physik verstehen und zweitens einen effizienten Rechenweg finden. Und daran forschen WissenschaftlerInnen und Unternehmen auf der ganzen Welt. Denn nur so können partikuläre Prozesse effizienter gestaltet werden.

Aus Fragen eines Unternehmens wird ein wissenschaftlicher Durchbruch

Mit dem CD-Labor für Modellierung partikulärer Strömungen war Stefan Pirker mit seinen Unternehmenspartnern im Jahr 2009 zur richtigen Zeit am richtigen Thema: neue Methoden aus Big Data und KI wurden in ein physikalisches Grundgerüst integriert. Mit diesen extrem effizienten Daten-assistierten Verfahren können komplexe Partikelströmungen nun sogar in Echtzeit berechnet werden. Ein Paradigmenwechsel, der komplett neue Möglichkeiten der Digitalisierung eröffnet.

Internationale Erfolge des CD-Labors

Erklärtes Ziel des CD-Labors sind nicht kurzfristiges Problemlösen sondern mittel- und langfristige Erkenntnisgewinne, wobei die Erkenntnisse aus dem CD-Labor von Prof. Pirker von vielen international führenden Forschungsgruppen aus den verschiedensten Bereichen nachgefragt sind. Von Anfang an stellte Prof. Pirker daher seine methodischen Entwicklungen mit Hilfe einer open-source Plattform der wissenschaftlichen Community frei zur Verfügung. „Egal, auf welchem Kontinent: Unsere Programme werden von dutzenden Unis und Forschungszentren benutzt. Die NASA untersucht damit die Fortbewegung des Marsroboters Curiosity, in Florida werden Geschiebeströmungen im Meer berechnet – mit den Rückmeldungen aus diesen breit gefächerten Anwendungen können wir unsere Methoden kontinuierlich verbessern – zusätzlich entstehen dabei immer wieder interessante Forschungskooperationen“, erläutert Laborleiter Pirker den Nutzen dieses open-source Modells.

Und COVID-19?

Auch wenn sie winzig sind, Aerosole sind Partikel, und auch sie bewegen sich durch die Luft. Die Modelle und Methoden aus dem CD-Labor lassen sich also auch auf die Verbreitung des Coronavirus anwenden. Noch spannender wird die Berechnung, wenn die Menschen, die die Aerosole ausatmen, und jene, die diese Aerosole nicht einatmen sollen, sich ebenfalls bewegen. In einem aktuellen Forschungsprojekt mit der Universität Utrecht in den Niederlanden wird an der Modellierung der Virusverbreitung bei sich bewegenden Fußgängerströmen gearbeitet. Ziel ist es, die Besucherlenkung bei Großevents so zu gestalten, dass die Wahrscheinlichkeit von Infektionen gering bleibt.

 

„Gratulation an Stefan Pirker! Gemeinsam mit seinen Unternehmenspartnern forscht er an Themen am Puls der Zeit. Unsere CD-Labors bringen Wissenschaft und Wirtschaft so zusammen, dass beide Seiten daraus Nutzen ziehen. Wir können auf die Innovationskraft unserer Unternehmen vertrauen und auf das Wissen und Können unserer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bauen. Die Förderung von langfristig angelegten Kooperationen von Wirtschaft und Wissenschaft leistet einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zum internationalen Innovation Leader und stärkt den Wirtschaftsstandort Österreich. Jeden Euro, den wir in Innovation investieren, löst einen langfristigen BIP-Zuwachs von bis zu sechs Euro aus. Anhand der unzähligen Innovationen ‚made in Austria‘ sieht man den Erfolg unser Unternehmen und der Forschungsförderung."

Margarete Schramböck, Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort

 

„Grundlagenforschung ist die Basis für Innovation, sie erweitert die Wissensbasis, ermöglicht unerwartete Fortschritte und schafft dauerhafte Wettbewerbsvorteile. Darum ist unser Modell so wichtig, es stärkt den Wissenschafts- und den Wirtschaftsstandort Österreich gleichzeitig.“

Martin Gerzabek, Präsident der Christian Doppler Forschungsgesellschaft

 

„In einem CD-Labor begeben sich akademische und industrielle ForscherInnen auf eine gemeinsame Forschungsreise. Beide wollen Bestehendes besser verstehen und Neues entdecken. Die enge Vernetzung von Industrie und Wissenschaft ist ein zentraler Pfeiler meines Forschungserfolgs."

Preisträger Stefan Pirker

 

 

 

Fließen von Molybdän- und Wolframmetallpulver in einer im Uhrzeigersinn rotierenden  Trommel. Simulation aus dem CD-Labor von Stefan Pirker.

 

Fließen von Molybdän- und Wolframmetallpulver in einer im Uhrzeigersinn rotierenden  Trommel. Experiment beim Unternehmenspartner Plansee SE.

Rendezvous mit der Wirklichkeit - Stefan Pirker vor einem Versuchsaufbau zur Validierung seiner mathematischen Theorien.

Umsetzung durch die Unternehmenspartner

Die große Zahl an Unternehmenspartner sowie deren Vielfalt zeigen die Bedeutung der Grundlagenforschung: Grundlegendes neues Wissen ist vielfältig anwendbar und Basis für unternehmerische Innovation.  

voestalpine Stahl Donawitz GmbH

„Durch die Kooperation mit dem CD-Labor gelang es etwa den pneumatischen Transport von Pulvern und die anlagenspezifischen Schwachstellen in dem Förderprozess besser zu verstehen. Basierend auf diesen Erkenntnissen wurde etwa eine wesentliche Anlagenkomponente, welche für die Gleichverteilung des Pulvers zuständig ist, konstruktiv geändert und optimiert. Wir können das CD-Labor sehr empfehlen, da wir durch die gemeinsame Arbeit anwendungsnahe Fragestellungen beantworten konnten, welche die Basis für betriebliche Verbesserungen waren.“

DI Peter Karner, Leitung F&E, voestalpine Stahl Donawitz GmbH

 

voestalpine AG

„Für die Weiterentwicklung unserer Prozesse ist ein tiefgehendes Verständnis der physikalischen Vorgänge notwendig. Diese Grundlagenforschung wird sehr erfolgreich in CD-Labors betrieben, so auch im Labor von Stefan Pirker. Die numerische Simulation von Strömungsphänomenen lieferte wertvolle Inputs für den Betrieb. Durch ausgeklügelte Modellansätze wurde die Interaktion von Wassertröpfchen, Staubpartikeln und Gas so zuverlässig beschrieben, dass mit den Ergebnissen effizienzsteigernde Umbauten am Hochofen realisiert werden konnten“.

DI Dr. Franz Androsch, Leiter Forschung, Entwicklung und Innovation, voestalpine AG

RHI Magnesita GmbH

„Der Transport und die Verarbeitung von granularen Materialen spielen bei der Herstellung und Anwendung feuerfester Produkte eine entscheidende Rolle. Über das CD-Labor von Prof. Pirker konnten maßgeschneiderte Modellierungsansätze und Simulationslösungen auf höchstem wissenschaftlichen Niveau umgesetzt werden, die uns in weiterer Folge bei der Optimierung von Maschinen und Teilen des Herstellungsprozesses unterstützt haben.“

DI Gerald Gelbmann, Head of R&D Europe & CIS & Turkey, RHI Magnesita GmbH

Primetals Technologies Austria GmbH

„Im Rahmen des CD-Labors von Prof. Pirker konnte die Simulation metallurgischer Mehrphasenströmungen extrem beschleunigt werden. Hochauflösende Simulationen in Echtzeit werden nun möglich. Die über 7 Jahre vereinbarte Zusammenarbeit in einem CD-Labor schafft Vertrauen auf beiden Seiten und gibt ausreichend Zeit für anwendungsnahe Grundlagenentwicklung.“

DI Gerald Fliegel, Head of R&D Management, Primetals Technologies Austria GmbH

PLANSEE SE

„Im CD-Labor zur Modellierung Partikulärer Strömungen von Prof. Pirker wurde das Fließverhalten kohäsiver Refraktärmetallpulver untersucht, um bei der Herstellung von Sinterteilen Inhomogenitäten bereits beim Pulverfüllen als Teilschritt der pulvermetallurgischen Herstellkette identifizieren und durch geeignete Maßnahmen eliminieren zu können. Dies führte zu einer weiteren Verbesserung der Sinterqualität, wovon ein größerer Teil der Plansee-Produktpalette bereits profitiert. Die hochqualitative Grundlagenforschung am CD-Labor, deren direkte Verknüpfung mit der industriellen Entwicklung sowie der relativ geringe administrative Aufwand bei sehr beachtlicher Förderquote zeigen einmal mehr, dass CD-Labore im Allgemeinen und das heute durch die Preisverleihung geehrte Labor insbesondere auch im internationalen Vergleich eine absolut herausragende Erfolgsgeschichte darstellen.“

Dr. Arno Plankensteiner, Director Corporate Research & Development (CR), Plansee SE

Borealis AG

„Das Leben verlangt Fortschritt. Durch die im CD-Labor von Prof. Pirker entwickelten Simulationsmethoden war es Borealis möglich die Effizienz und Nachhaltigkeit bestehender Anlagen zu optimieren. Darüber hinaus kann die Übertragung von Laborergebnissen nun schneller und zielsicherer auf den industriellen Maßstab erfolgen. Konkret bedeutet dies geringen Energie- und Materialverbrauch, weni-ger Ausschuss, seltenere Produktionsstopps und somit einen wegweisenden Erfolg auf unserer Missi-on, stets Neues zu erfinden, um unser Leben noch nachhaltiger zu machen“.

Dr. Erik Van Praet, Borealis Vice President Innovation & Technology

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