Worum es geht
Moderne Prothesen sind technisch hoch entwickelt und können viele Bewegungen ausführen. Bei allem technischen Fortschritt auf Seiten der Prothesen bleibt aber entscheidend, dass der Mensch die Prothese möglichst gut steuern kann. Dazu setzt man seit Beginn des Jahrtausends auf TMR-Operationen (Targeted Muscle Reinnervation): Nerven, die Signale an den natürlichen Arm übertragen hatten, werden mit verbliebenen Muskeln im Bereich des Amputationsstumpfes verbunden. Die Aktivierung dieser Muskeln wird von der Prothese erkannt und in die richtigen Bewegungen umgesetzt. Dadurch wird die Handhabung intuitiver – die Nerven für Handbewegungen bleiben die gleichen.
Die Forschungsfrage: Nerventransfer für intuitive Steuerung
Damit das wirklich funktioniert, braucht es umfassendes und hochspezialisiertes medizinisches Wissen: Wo genau verlaufen die Nervenbahnen – und in welche Richtung? Und wo sind die Muskeln, die den Reiz des Nervs aufnehmen und diesen an die Prothese übermitteln können?
Amputationen oberhalb des Ellbogens stellen eine besondere Herausforderung dar, weil sowohl die Handfunktion als auch die Funktion des Ellbogens ersetzt werden müssen. Der Oberarm hat mit Bizeps und Trizeps aber nur zwei getrennte Muskeln, welche diese komplexe Steuerung übernehmen sollen. Wie und wo genau können diese Muskeln in entsprechende funktionelle Segmente aufgeteilt werden? An welcher Stelle können Muskelaktivitäten am besten gemessen werden? Und wie kann das Gehirn Rückmeldungen von der Prothese erhalten, zum Beispiel darüber, wie fest ein Gegenstand gehalten wird (Feedback- Funktion)?
Die Kooperation im CD-Labor
Für die Weiterentwicklung der Methode ist die Kooperation von Prothesenherstellern und medizinischer Forschung unabdingbar: Biosignale von Nerven und Muskeln müssen gefunden und nutzbar gemacht werden. Die Prothetik muss diese Biosignale in geeigneter Weise aufgreifen. Und schließlich müssen REHA-Konzepte entwickelt werden, damit die PatientInnen die Möglichkeiten ihrer Prothese auch voll ausnutzen können. Mit Prof. Aszmann von der Abteilung für Plastische und Wiederherstellende Chirurgie der Medizinischen Universität Wien fand Ottobock einen idealen Partner mit großer medizinischer Expertise. Seine wissenschaftlichen Arbeiten gehören mit zu den Grundlagen der ersten derartigen Operationen in den USA, und 2006 war er der erste, der – schon mit Beteiligung von Ottobock – eine solche Operation außerhalb der USA durchführte. Mittlerweile ist rund um das CD-Labor ein weitreichendes Forschungsnetzwerk entstanden, in das auch das Unternehmen eingebunden ist.
Ergebnisse
Im CD-Labor und in seinem Forschungsnetzwerk wurde unter anderem neues und umfassendes Wissen über Lage und Arbeitsweise jener Nerven gewonnen, die die Armbewegungen steuern. Durch die Kooperation im CD-Labor war das Unternehmen an der Front des Wissens dabei und profitiert bei der Weiterentwicklung seiner Produkte von diesem Wissensvorsprung. Ottobock kann heute Prothesen anbieten, die in Verbindung mit einer TMR-Operation sehr gut steuerbar sind und z. B. auch bei mehreren Steuersignalen erkennen, welche Bewegung ausgeführt werden soll. Die Signale von Nerven und Muskeln können über implantierbare Sensoren direkt im Körper gemessen werden und sind daher weniger anfällig für Störungen wie z. B. Schwitzen. Neues Wissen über die Richtung der Reizleitung im Nerv ermöglicht neue Ansätze für die Feedback-Funktion. Vom großen Erfolg des CD-Labors künden zahlreiche Publikationen in renommierten Journals sowie der 2018 verliehene ERC-Synergy-Grant der Europäischen Union an Prof. Aszmann. Die Kooperation wird nach dem Ende des CD-Labors Ende 2018 weitergeführt.