CDG: Was ist als Vorsitzender des Josef Ressel Senats ihr persönlicher Zugang zum Namenspatron der JR-Zentren, warum sind Josef Ressel und seine Arbeit auch heute noch relevant?
Fredersdorf: Im Leben und Werk von Josef Ressel erkennen wir einen vielseitigen und innovativen technischen Visionär, der trotz widriger sozialer Gegebenheiten mehrere bahnbrechende Erfindungen hervorgebracht hat. Neben der meistgenannten Schiffsschraube erfand Josef Ressel ein Rohrpostsystem, ein neues Verfahren zur Herstellung von Seifen, einen Vorläufer des Kugellagers und ein Heizmittel für Dampfmaschinen. Weiters entwickelte er eine senkrechte Welle für Windmühlen weiter, wodurch diese von der Windrichtung unabhängig wurden. Seine Erfindungen haben sich seither mannigfach in technischen Gerätschaften bewährt. Im Zuge des Umstiegs auf erneuerbare Energien erfährt derzeit vor allem die Vertikalturbine bei Kleinanlagen eine Renaissance.
Von Josef Ressel können wir lernen, wie bedeutsam es ist, scheinbar unumstößliche Paradigmen konstruktiv zu hinterfragen und ihnen anwendungsfähige Neuerungen entgegenzusetzen. Bedauerlich ist jedoch, dass dem genialen Konstrukteur erst posthum jene Anerkennung gewährt wurde, die ihm gebührt. Erfreulicherweise trägt die Institutionalisierung des Josef Ressel Fördermodells hierzu einen gewissen Teil bei.
CDG: Sie sind seit ca. sechseinhalb Jahren Vorsitzender des JR-Senats: Was hat Sie in dieser Zeit am meisten überrascht?
Fredersdorf: Wer bis dato meinte, Fachhochschulen seien nicht in der Lage, qualitativ hochwertige und international anerkannte Forschung zu betreiben, wird durch die Arbeit von bislang 30 realisierten Josef Ressel Zentren eines Besseren belehrt. Die Zentren weisen eine beeindruckende thematische Breite zwischen Fragen von IT-Sicherheit, Grid-Computing, Gebäudetechnik, EDV-gesteuerter Prozess- und Produktionsoptimierung, Materialentwicklung, Wirkstoffforschung und PP-Kooperation auf, um nur einige Schwerpunkte beispielhaft anzuführen. Es überrascht daran vor allem, als wie bedeutsam sich jedes einzelne Forschungsthema für Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft erweist.
CDG: Was schätzen Sie besonders am Fördermodell der JR-Zentren?
Fredersdorf: Durch seine Bottom-Up-Strategie fördert das JR-Modell eine enge und praxis- wie wissenschaftsnahe Kooperation zwischen Unternehmen und Fachhochschulen. Während des Vergabeverfahrens steigert die interaktive Kommunikation zwischen Antragstellenden und internationalen Begutachtenden das fachliche Niveau beantragter JR-Zentren. Im Fall einer daraus folgenden Bewilligung ergibt sich eine vierfache Gewinnsituation: Beteiligte Forschende erweitern über JR-Zentren ihre internationale wissenschaftliche Professionalität, indem sie neues Wissen generieren, qualifikatorische Abschlüsse erlangen und innovative Ergebnisse publizieren. Beteiligte Fachhochschulen begründen und/oder erweitern über JR-Zentren wissenschaftliche Kompetenz-Cluster und damit ihren allgemeinen Ruf. Beteiligte Unternehmen erhalten darüber umsetzungsfähige Forschungsergebnisse sowie eine enge Verbindung zu dringend benötigten Fachkräften. Nicht zuletzt trägt die öffentliche Hand mit dem JR-Modell zum Standortausbau Österreichs bei, dessen hauptsächliches „Kapital“ im Knowhow von Menschen besteht.
Happy Birthday, Josef Ressel: Interview mit dem Vorsitzenden des JR-Senats
29.06.2023: Zum 230. Geburtstag des großen Erfinders und Namenspatrons der Josef Ressel Zentren sprechen wir mit Frederic Fredersdorf über den Jubilar und sein Vermächtnis.
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