CD-Labor für Oberflächenphysikalische und chemische Grundlagen der Papierfestigkeit

Was Papier im Innersten zusammenhält

2.500 Jahre Papierherstellung – und noch immer ist vieles nicht bekannt. Die Oberflächenphysik betritt ein für sie neues Forschungsfeld und ermöglicht konkrete Strategien, wo früher nur probiert werden konnte. Das macht Papier besser, vielfältiger einsetzbar und leistungsfähiger.

Worum es geht

Verpackungspapier, wie es die Mondi Group herstellt, muss hohen Anforderungen in Bezug auf Festigkeit, Steifheit und Arbeitsaufnahmefähigkeit genügen. Diese hohen qualitativen Anforderungen müssen allerdings in Balance stehen zum Einsatz von Material und Ressourcen. Konkret: Wie viele Lagen (also Material) braucht es für die gewünschte Qualität und wie kann der Materialeinsatz während des Herstellungsprozesses optimiert bzw. minimiert werden? Das Grundprinzip der Papierherstellung ist seit langem bekannt: Zellstoff-Fasern werden in Wasser aufgelöst, die Fasern am Sieb bilden ein Netzwerk, und wenn sie trocknen, werden sie fest. Die wesentliche Frage, um diesen eigentlich einfachen Prozess im Sinne konstant hoher und steuerbarer Qualität zu kontrollieren, ist allerdings immer noch ungelöst: Was hält die Papierfasern im Netzwerk zusammen?

Die Forschungsfrage: Woher kommt der Zusammenhalt?

Die Papierherstellung hat eine sehr lange Geschichte. Nach 2.500 Jahren der Papierherstellung und etwa 1.000 Jahren mehr oder weniger systematischer Forschung und Entwicklung war der Wissensstand, dass die Fasern einerseits durch Verfilzung (Reibung) und andererseits durch Wasserstoffbrückenbindungen zusammengehalten werden. Aber die Mondi Group wollte mehr wissen: Könnten außer Reibung und Wasserstoffbrückenbindung auch andere Kräfte herrschen? Lassen sich diese beschreiben, quantifizieren, und wie kann man sie steuern?

Die Kooperation im CD-Labor

Für die Erforschung dieser Grundsatzfragen kam die Mondi Group bei den großen, papiernahen Forschungsinstituten in Skandinavien nicht weiter und suchte nach völlig neuen Herangehensweisen. So versprach man sich einen Durchbruch, wenn die Forschungsfrage nicht nur mit den Werkzeugen der Chemie, sondern auch vom Blickwinkel der Physik aus interdisziplinär untersucht würde. Nach intensiver Suche wurde man schließlich an der TU Graz fündig: Prof. Robert Schennach ist ein herausragender Oberflächenphysiker und Chemiker. Er hatte bis dahin nichts mit Papier zu tun, war aber bereit, sich den grundlegenden Fragen des Unternehmens zu stellen. Welche Mechanismen wirken in der Faser-Faser- Bindung, und kann man diese Mechanismen quantifizieren und steuern?

Ergebnisse

Durch die Forschungsarbeiten im CD-Labor konnten für die Faser-Faser-Bindung insgesamt sieben Mechanismen identifiziert und quantifiziert werden, zum Beispiel Van der Waals-Kräfte, Dipolbindung oder mechanical interlocking. Ganz neu beschrieben wurde ein monomolekularer Wasserfilm in Kombination mit Reibung und dessen Wirkweise. Durch dieses Wissen lässt sich die Qualität des Papiers genauer steuern. Die Forschungsarbeiten und Publikationen des CD-Labors haben insgesamt zu einer Weiterentwicklung der Papierbranche beigetragen. Mittlerweile beschäftigen sich mehrere Forschungsgruppen (vor allem in Europa) mit dem Thema; es entsteht neue Kompetenz. Die Mondi Group war am Beginn der Entwicklung dabei, hat daraus einen Vorsprung gewonnen und profitiert gleichzeitig vom globalen wissenschaftlichen Fortschritt, den Prof. Schennach angestoßen hat. Das Unternehmen ist in vielen Indikatoren besser als die Mitbewerber. Die Grundlagenforschung profitierte insbesondere auch von der Kontinuität des Programms: sieben Jahre lang konnte substantiell geforscht werden, statt Anträge zu schreiben.

Mehrwert für das Unternehmen

Die Forschungsergebnisse ermöglichten viele Verbesserungen im gesamten, sehr umfangreichen Verpackungsportfolio des Unternehmens. Sie sind zentrale Grundlage vieler Produkte. Festeres Papier kann mit weniger Ressourcen hergestellt werden. Die Forschungskooperation leistete einen wesentlichen Beitrag dazu, dass die Mondi Group als globales Verpackungs- und Papierunternehmen in vielen Ländern erfolgreich sein kann.

Die wissenschaftliche Herausforderung

Mit einer Vielzahl von spektroskopischen und mikroskopischen Verfahren untersucht die Oberflächenphysik den Aufbau von Oberflächen und deren Wechselwirkungen mit ihrer Umgebung. Für die Herausforderung, sich systematisch mit Zellulosefasern zu befassen, ist die Zusammenarbeit mit Chemie und Verfahrenstechnik unbedingt erforderlich. Mehr Wissen über die Struktur von Zellulosefasern ist überall dort relevant, wo Wechselwirkungen zwischen Fasern eine Rolle spielen. Beispiele dafür sind neben Papier auch Textilien oder neue Technologien für die Architektur. So könnten etwa Gipsplatten beim Innenausbau durch Papierwände ersetzt werden.

Leitung

ao.Univ.Prof. Mag. Dr. Robert Schennach

Technische Universität Graz

Laufzeit

01.03.2007 - 28.02.2014

Unternehmenspartner

Lenzing AG , Mondi Frantschach GmbH , Kelheim Fibres GmbH

Christian Doppler Forschungsgesellschaft

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