Worum es geht
Polyethylen und Polypropylen gehören zu den weltweit am häufigsten eingesetzten Kunststoffen und werden hauptsächlich in der Verpackungsindustrie, als Isolierwerkstoffe für Kabel und Kondensatoren, in der Automobilindustrie, als Rohrwerkstoffe und als Beschichtungsmaterial für Pipelines eingesetzt. Borealis produziert diese hochwertigen Kunststoffe im großindustriellen Maßstab mit eigener Technologie. Gemäß dem Leitsatz „Mehrwert schaffen durch Innovation“ hat das Unternehmen hohes Interesse an gesteigerter Effizienz der eingesetzten Technologien zur Herstellung von Kunststoffen.
Die Forschungsfrage: Wie kann die Herstellung von Kunststoffen noch weiter optimiert werden?
Polyethylen und Polypropylen werden in Wirbelschichtreaktoren aus ihren Monomeren hergestellt, welche in der Form von Kügelchen in einer Dimension von etwa 2 mm vorliegen. Diese Wirbelschichtreaktoren sind als industrielle Großanlagen ausgelegt und nehmen die Dimension eines Kirchturms an. In diesen Reaktoren werden die gasförmigen Rohstoffe (Monomere) eingetragen, die sich mit Hilfe eines Katalysators unter Wärmeentwicklung zu festen Polymerketten zusammenfinden. Die dadurch entstehenden Polymerkügelchen sollten idealerweise idente Dimensionen und Eigenschaften aufweisen. Dies erfordert eine genaue Regelung der Reaktoren bis hin zur Partikelebene. Das Verhalten aller Partikel im Reaktor soll möglichst genau gesteuert und vorhergesagt werden können, denn jede Unregelmäßigkeit erhöht den Verbrauch von Energie und Rohstoffen, produziert mehr Ausschuss und kann zu kostentreibenden Prozessstopps führen. Diese technischen Herausforderungen lassen sich empirisch im Labormaßstab erforschen, aber nicht einfach auf Produktionsanlagen übertragen, da das Dimensionsgefälle zwischen dem turmhohen Reaktor und Laboranlagen einfach zu groß ist. Es braucht hier neue komplexe mathematische Modelle und aufwendige numerische Simulationen.
Die Kooperation im CD-Labor
Grundlagenforschung in dieser Tiefe ist für Borealis nur in Kooperation mit einem externen, kompetenten Partner möglich, weshalb man sich für die Kooperation mit WissenschafterInnen an einer Universität entschieden hat. Prof. Pirker und sein Team im CD-Labor für Modellierung partikulärer Strömungen verfügen über langjährige Erfahrungen in der mathematischen Modellierung und die dafür nötigen Ressourcen und Rechnerkapazitäten. Auf Basis der Problemstellung und der Bereitstellung entsprechender Datensätze durch Borealis entwickelte und validierte das CD-Labor ein mathematisches Modell.
Ergebnisse
Das im CD-Labor erstellte mathematische Modell, das Subgrid-Modell, ist in der Lage, alle wesentlichen Parameter zu modellieren und somit der prozesstechnischen Optimierung zugänglich zu machen. Verweilzeit der Monomere im Reaktor, Temperaturprofile der Reaktoren und die detaillierten Gasströmungen der Wirbelschicht innerhalb des Reaktors werden dadurch berechenbar. Auf Basis dieser Modellierungen und einer – ebenfalls im CD-Labor durchgeführten – experimentellen Validierung im Labormaßstab, konnten die gewonnenen Erkenntnisse bereits umgesetzt werden. Bestehende Anlagen vom Pilotmaßstab bis hin zu Produktionsanlagen wurden auf Basis dieser Modelle im Detail untersucht und optimiert. Alle technologierelevanten Erkenntnisse wurden durch Borealis patentrechtlich abgesichert. Die Methodik der Modelle wurde wissenschaftlich publiziert und im Rahmen der frei zugänglichen open-source Simulationsplattform CFDEM (www.cfdem.com) der wissenschaftlichen Community zur weiteren Optimierung zur Verfügung gestellt. Aus dem CD-Labor für Modellierung partikulärer Strömungen ist mittlerweile eine assoziierte Professur hervorgegangen. Aufgrund des großen Erfolgs kooperiert Borealis zu weiterführenden Forschungsfragen seit 2016 mit einem neuen CD-Labor, ebenfalls an der Universität Linz.