Worum es geht
Elektronische Bauteile bestehen aus unterschiedlichsten Materialien und Schichten, elektrisch leitenden und isolierenden, duktilen und spröden, aus Metallen, Gläsern und Polymeren. Sie alle werden für die Funktion gebraucht – passen aus materialwissenschaftlicher Sicht aber nicht unbedingt zusammen: Sie können schlecht aneinander haften und bei Erhitzung dehnen sie sich unterschiedlich stark aus. Dadurch entstehen insbesondere bei Schaltvorgängen hohe thermomechanische Belastungen. Wie lange ein Bauteil dieser Belastung standhält, ist ein für den Kunden maßgebliches Produktmerkmal. Wer hier schnell und gleichzeitig zuverlässig testen kann, hat auch in der Entwicklung die Nase vorn.
Die Forschungsfrage
In der Entwicklung neuer Bauteile steht deren elektrische Funktion im Vordergrund, Schicht um Schicht wird sorgfältig aufgebaut. Aber bis zu welcher Belastung haften die Schichten zuverlässig aneinander? Und wie reagiert das Bauteil auf geringere, aber immer wiederkehrende Belastungen? Um diese Belastbarkeit präzise vorherzusagen, setzte man bisher auf aufwändige elektrische Belastungsverfahren: Über Monate hinweg wird, wie in der finalen Anwendung, Strom ein- und ausgeschaltet, um die Bauteile dem Zyklus „ein / aus“ bzw. „heiß / kalt“ viele zehntausende Male auszusetzen. Das dauert – und ist teuer. Infineon sucht daher nach schnelleren und einfacheren Testmethoden, um die Entwicklung neuer zuverlässiger Produkte entscheidend zu beschleunigen. Umgekehrt eröffnet solch eine Testmethode auch neue Märkte für die Hersteller von Ultraschall-Drahtbondgeräten, die zu Prüfgeräten erweitert werden können. Daher ist auch F&S Bondtec der Kooperation beigetreten – ein idealer Partner, denn das Unternehmen hat als einziger Hersteller weltweit sowohl im Ultraschall- Drahtbonden als auch im Bondtesten Erfahrungen.
Die Kooperation im CD-Labor
Ultraschallprüfungen sind als Tests für herkömmliche Materialermüdungen etabliert und ermöglichen die Durchführung von zehntausenden Belastungszyklen pro Sekunde. Die Übertragung der Methode auf elektronische Bauteile ist daher ein vielversprechender Ansatz. Was früher Monate dauerte, könnte in wenigen Stunden erledigt werden. Mit Dr. Khatibi an der TU Wien hat Infineon dafür eine international anerkannte Expertin als Partnerin gefunden. Sie widmet sich als Materialwissenschafterin den vielen offenen Fragen der Methode: Zum Beispiel ist die Ultraschallprüfung eine Schwingungsprüfung bei fixer Temperatur – ist das wirklich das Gleiche wie die Belastung durch Temperaturschwankungen? Und kann die Methode auch auf miniaturisierte Bauteile und deren Schichtaufbau angewendet werden? Die Übertragbarkeit vom Zentimeter- in den Mikro- und Nanometerbereich liegt nicht unbedingt nahe, sie muss wissenschaftlich belegt und die Methode angepasst werden. Und noch davor braucht es detailliertes Grundlagenwissen über die Belastungen in verschiedenen Arten von Bauteilen: große Leistungshalbleiter, die in Hochgeschwindigkeitszügen und Windkraftanlagen betrieben werden; kleinere Schalter, die hochfrequent Leistungswandlung in elektronischen Geräten ermöglichen; miniaturisierte intelligente Leistungsschalter für komplexe Automobilanwendungen.
Ergebnisse
Durch die Forschung im CD-Labor ist es bereits gelungen, die Übertragbarkeit der Schwingungsbelastung durch Ultraschall auf die thermomechanischen Belastungen in bestimmten Bereichen zu belegen. Auf Basis der Forschungsarbeiten konnte F&S Bondtec bereits einen Prototypen für schnelle Tests an Drahtbonds im Hochleistungsbereich (Lokomotiven, Windkraftanlagen) entwickeln, mit dem Infineon schon arbeitet. Auch bezüglich der Übertragbarkeit der Methode auf kleinere Anwendungen mit geringerer Strombelastung, kleineren Chips und dünneren Metallverbindungen (Elektronikgeräte, Automobilanwendungen) gibt es bereits vielversprechende Vorstudien.
Die Frage, ob die Testmethode auch zur zyklischen Prüfung von Schichtaufbauten geeignet ist, liegt derzeit noch ganz im Bereich der Grundlagenforschung. Vom CD-Labor erwartet sich Infineon eine Antwort auf die Frage, ob das grundsätzlich möglich sein wird.