Das CD-Labor für Chemische Epigenetik und Antiinfektiva

Krebs verstehen heißt Krebs bekämpfen

Einen bei Tumoren häufig mutierten Proteinkomplex im Detail zu verstehen, ermöglicht die zielgerichtete Entwicklung hochwirksamer Therapien.

Worum es geht

Zielgerichtete Therapien spielen in der modernen Krebsbehandlung eine wichtige Rolle. Diese Therapien greifen gezielt Krebszellen an, lassen die unveränderten Zellen aber nahezu unbehelligt und sind daher gleichzeitig sehr effektiv und sehr nebenwirkungsarm. Boehringer Ingelheim als Entwickler und Hersteller von Krebstherapien ist an mehr Wissen über mögliche „Angriffsstellen“ ebenso interessiert wie an der Identifikation von Molekülen, die als Medikamente geeignet sein könnten. Ein vielversprechendes Forschungsfeld ist hier der BAF-Komplex, ein Proteinkomplex, der bei etwa 20 % aller menschlichen Krebserkrankungen in den Krebszellen mutiert ist, beim Ovarialkarzinom und manchen Formen von Lungenkrebs bei bis zu 80 %.

Die Forschungsfrage: Wie können Krebszellen identifiziert und angegriffen werden

Der BAF-Komplex ermöglicht die Auslesung der DNA durch Verschieben von Histonen, auf denen die DNA wie auf Spulen aufgewickelt ist, und reguliert dadurch mit, welche Teile der DNA ausgelesen werden. Somit steuert er, welche unterschiedlichen Eigenschaften verschiedene Zellen trotz identischer DNA exprimieren, z. B. ob sie Haut- oder Muskelzellen sind und wie sie auf Umwelteinflüsse reagieren. Der Komplex besteht aus 29 Proteinen, die von 29 Genen codiert werden. In Tumorzellen ist eines dieser Gene mutiert. Das Protein wird nicht hergestellt, aber durch andere – falsche – Proteine ersetzt. An dieser Stelle muss ein erfolgreiches Medikament angreifen, um möglichst zielgerichtet die mutierten Zellen zu treffen. Es geht also darum, den BAF-Komplex möglichst genau zu verstehen und in der Folge Substanzen zu finden, die die mutierten Zellen abtöten oder in der Vermehrung einschränken. Gesucht werden kleine organische Moleküle, die gut bioverfügbar sind und damit auch bei oraler Einnahme bis in den Zellkern zum BAF-Komplex vordringen können.

Die Kooperation im CD-Labor

Obwohl der BAF-Komplex schon länger bekannt ist, gibt es noch viele offene Fragen. Von der akademischen Forschung erhofft man sich mehr biologisches Wissen und ein besseres Verständnis der beteiligten Moleküle: Wie funktioniert der BAF-Komplex genau, welche Faktoren wirken auf ihn ein, kann seine Funktion vorhergesagt werden? Wie ist die Regulation der Genexpression, welche Gene sind aktiv? Oder konkreter: Was macht eine Krebszelle aus, wie funktioniert sie?

Dr. Kubicek und sein Team sind Teil der wissenschaftlichen Community und können diese Fragen in der nötigen Tiefe auf höchstem wissenschaftlichen Niveau bearbeiten. Aus dem CD-Labor kommt somit die beste systematische Analyse des BAF-Komplexes. Das Unternehmen hat dadurch frühzeitig Zugang zu Ergebnissen der Grundlagenforschung und gewinnt so einen Vorsprung, relevante Ergebnisse werden patentiert. Durch wissenschaftliche Publikationen des CD-Labors positioniert sich Boehringer Ingelheim darüber hinaus als forschendes Unternehmen und kann sein Netzwerk im wissenschaftlichen Bereich vergrößern.

Ergebnisse

Im Rahmen des CD-Labors erlangte man ein besseres Verständnis von Aufbau und Untereinheiten des BAF-Komplexes, zu welchem Boehringer Ingelheim 1–2 Jahre früher als die Mitbewerber Zugang hat. Weiters konnten bereits zwei Zielproteine identifiziert werden. Dies eröffnet neue Möglichkeiten bei der Suche nach neuen Wirkstoffen, die das Potential haben, in einigen Jahren als Medikament zugelassen zu werden. Die hausinterne Forschung von Boehringer Ingelheim baut auf diesen Ergebnissen auf.

Mehrwert für das Unternehmen

Das Verständnis des BAF-Komplexes, seines Aufbaus und seiner Untereinheiten wurde wesentlich verbessert. Zwei mögliche Targets für zielgerichtete Medikamente wurden identifiziert. Darauf aufbauend wird hausintern an der Entwicklung neuer Medikamente gearbeitet.

Wissenschaftliche Herausforderung

Jede Zelle des menschlichen Körpers hat die gleichen rund 23.000 Gene, trotzdem üben sie unterschiedliche Funktionen aus. Sie sind also zum Beispiel Gehirnzelle oder Hautzelle oder passen sich in ihrer Funktion an Umweltbedingungen an. Das funktioniert deshalb, weil es mit dem Chromatin eine hochkomplexe Struktur gibt, die reguliert, welche dieser Gene ausgelesen werden und wie stark sie aktiv sind. Die Wissenschaft der Epigenetik will diese Regulation immer besser verstehen und wissenschaftlich beschreiben. Der BAF-Komplex spielt dabei eine wesentliche Rolle, seine grundlagenwissenschaftliche Erforschung bringt nicht nur die Krebsforschung voran, sondern ist zum Beispiel auch für die Behandlung mancher neurologischer Krankheiten von Bedeutung.

Leitung

Dr. Stefan Kubicek

Österreichische Akademie der Wissenschaften

Laufzeit

01.01.2013 - 31.12.2019

Unternehmenspartner

Boehringer Ingelheim RCV GmbH & Co KG , HAPLOGEN GmbH , HAPLOGEN Bioscience GmbH

Christian Doppler Forschungsgesellschaft

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