Gemeinsam mit der NGO "Medecins sans Frontiers": Forschung für humanitäre Hilfe

Stefan Lang, Scientist of the Month (Oktober 2022)

20.10.2022: Wie Satelliten humanitäre Hilfen verbessern können

Ob im Kriegs-, Katastrophen- oder Pandemiefall: Die Wichtigkeit der Arbeit humanitärer Nichtregierungsorganisationen ("NGOs", "non-governmental organisations") kann kaum überbetont werden. Die Herausforderungen, welchen die Helfer*innen bei der Planung von Hilfseinsätzen in geografisch weit entfernten Krisengebieten gegenüberstehen, sind jedoch massiv: Ob es etwa um Brunnenbau, Nahrungslieferungen, Impfkampagnen oder medizinische Hilfe nach Attentaten geht – Vorwissen um Gegebenheiten vor Ort und insbesondere die Anzahl der Menschen, welche Unterstützung benötigen, ist für effiziente und erfolgreiche Unternehmungen zentral. Dieses nötige Vorwissen von den lokalen Einsatzkräften zu erhalten gestaltet sich aber oft zeitaufwändig, mühsam und auf subjektiven Eindrücken aufgebaut.

Daher widmet sich unser "Scientist of the Month“ des Monats Oktober 2022, Stefan Lang, gemeinsam mit seinem Team des (seit 2020 sehr erfolgreich laufenden) CD-Labors für Raumbezogene und EO-basierte humanitäre Technologien an der Paris Lodron Universität Salzburg und Unternehmenspartner Ärzte ohne Grenzen (Médecins Sans Frontières, kurz MSF), der Erarbeitung einer objektiven, verlässlichen und raschen Methode zum Informationsgewinn, um in den verschiedensten humanitären Krisensituationen möglichst zeitnah und effizient helfen zu können: Hier kommen Technologien der Erdbeobachtung ("EO", "Earth observation“) und Geoinformatik ("GI") ins Spiel!

Augen im All, helfende Hände auf der Erde

Denn der Detailgrad der visuellen Aufnahmen, die von aktuellen Satelliten gemacht werden können, erlaubt im Zusammenspiel mit vom Laborteam erarbeiteter künstlicher Intelligenz ("KI") die Ableitung einer Vielfalt thematisch zentraler Informationen, die weit über die Erkennung von Beschädigungen in der Infrastruktur in betroffenen Orten hinausgehen und etwa über Bevölkerungszahlen, Todesfälle und Trinkwassersituation Aufschluss geben: Siehe die Textbox rechts für detailliertere Beispiele.

All diese Informationen und viele mehr können schließlich auch noch mit jedem weiteren Überflug eines Satelliten aktualisiert werden, sodass auf Basis fortlaufender Daten auch noch komplexere Fragestellungen im Zusammenhang mit vergehender Zeit beantwortet werden können: Wie entwickelt sich ein Flüchtlingslager, wie stark und schnell wächst es an, welche Auswirkungen hat es in puncto Umwelt oder Ressourcen an seinem Standort und entsteht möglicherweise Konfliktpotential  mit der einheimischen Bevölkerung? Um all diese Fragen beantworten zu können wird auf eine Kombination verschiedenster ziviler Erdbeobachtungs-Satelliten gesetzt (auch aus dem europäischen Copernicus-Programm), welche alle über ihre eigenen Eigenschaften und Vorteile verfügen: Manche Aufnahmen decken große Gebiete ab, andere fokussieren sich auf die besonders detaillierte Darstellung kleinerer Abschnitte, neben Aufnahmen im Rahmen des für Menschen wahrnehmbaren Bereich des Spektrums fließen auch solche im Infrarotbereich ein, und sogar von Tageslicht unabhängige und von Bewölkung nicht gestörte Radaraufnahmen werden eingebunden, um ein enorm informatives Gesamtbild zu erhalten.

Rasche Hilfe durch ausgefeilte Methoden

Kurz gesagt forscht das CD-Labor in drei zentralen Bereichen: Erstens in jenem der KI-unterstützten Ableitung relevanter Informationen aus Satellitenbildern (beispielsweise Gebäude-Erkennung und -Extraktion). Zweitens sollen auch bereits vorhandene, themenbezogene oder statistische Datensätze integriert ("assimiliert") und visuell aufbereitet werden. So können dann drittens alle diese gesammelten Informationen (ergänzt durch ethische und rechtliche Aspekte) effektiv bereitgestellt werden, indem Nutzer*innen bei Ärzte ohne Grenzen oder anderen humanitären NGOs schließlich auf eine speziell kartographisch zusammengestellte Ansicht zugreifen können, welche auf einen Blick ein klares Bild über die Situation im Krisengebiet zu vermitteln in der Lage ist.

So werden Hilfsorganisationen unter Berücksichtigung des kritischen Zeitrahmens bei Kontextanalyse, Planung und permanenter Weiterentwicklung und Evaluierung der laufenden Operation durch immer wieder aktualisierte Informationen unterstützt: Ein Gewinn an Tempo und Effizienz, der in Zukunft vielen humanitären Projekten rund um den Globus zugutekommen wird!

Das Forschungsthema in Kürze:

Unsere Serie über herausragende Wissenschaftler*innen und ihre Arbeit kehrt zurück: Der Oktober steht im Zeichen von Assoc.Prof. Dr. Stefan Lang und seiner auf Satellitenbildern basierenden Forschung zum Informationsgewinn, welche humanitären Hilfseinsätzen in Krisengebieten enorm zugutekommt!

Beispiele für mittels KI aus Satellitenaufnahmen abgeleitete Informationen:

  • Wie viele Menschen befinden sich in einem Flüchtlingslager und benötigen Versorgung mit Nahrung, Wasser und medizinischer Hilfe, die dann in entsprechendem Umfang vorbereitet werden kann?
  • Was wäre eine möglichst exakte Abschätzung der Bevölkerungszahlen in einem von COVID-19 betroffenen Gebiet, um ausreichend Impfstoffe und Personal für den Einsatz einzuplanen?
  • Wie viele Menschen verstarben im Zuge einer Naturkatastrophe oder eines Attentats?
  • Wo würden die Gegebenheiten von Grund- und Oberflächenwasser den Brunnenbau möglich und sinnvoll machen?

Head

Assoc.Prof. Dr. Stefan Lang

Universität Salzburg

Scheduling

01.07.2020 - 30.06.2027

Partner

Ärzte ohne Grenzen - Médecins Sans Frontières österreichische Sektion

Christian Doppler Forschungsgesellschaft

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